Sind Konflikte normal?
Streiten gehört doch zu einem normalen Alltag, oder?
Sind Konflikte eigentlich normal? Ist es normal, dass man sich mit seinem Arbeitskollegen nur noch schriftlich austauscht? Ist es normal, dass der Chef nur meckert, statt mal zu loben und somit das gesamte Team nicht mehr motiviert ist?

Ist es normal, dass die Kooperation kurz vor dem “Aus” steht, nur weil man einige Fehler gemacht hat? Nein, das ist nicht normal. Aber es kann passieren. Nämlich dann, wenn der Konflikt nicht rechtzeitig gelöst oder erkannt wurde, oder man nicht bereit war, ihn aktiv zu klären.
Ein Konflikt ist normal, die Stufe der Eskalation jedoch entscheidend, wie man miteinander umgeht. Ein Konflikt hat die wunderbare Eigenschaft, sich langsam anzubahnen, Sie kennen vielleicht diese Zeichen:
1. Vom mündlichen in den schriftlichen Dialog. Der Kollege sitzt nur einen Raum weiter, früher ist man schnell in das andere Zimmer gegangen, heute wird alles per E-Mail geklärt.
2. Die Kollegin, mit der man bis vor einigen Tagen jede Mittagspause gemeinsam verbracht hat, zieht sich zurück und geht alleine in die Kantine.
3. Der Kollege reagiert außerordentlich heftig und sehr emotional, wenn man mit ihm Projektdetails klären möchte.Alle oben genannten Zeichen können auf einen Konflikt deuten, müssen sie aber nicht, denn wer sagt nicht, dass es so ist: A: Ihr Kollege glaubt, Sie(!) hätten ein Problem, beantwortet daher nur Ihre E-Mails, wundert sich, warum Sie(!) nur noch schreiben, traut sich aber nicht, Sie anzusprechen.
B: Die Kollegin hat private Probleme und nutzt die Mittagspause momentan lieber, um ihren Gedanken freien Lauf zu lassen, möchte aber nicht reden.
4. Der Kollege hat vor einigen Tagen ein Gespräch mit seinem Vorgesetzten gehabt, der ihm gegenüber seinen Unmut über schlechte Verkaufszahlen äußert. Der Kollege ist wütend und nutzt den Dialog mit Ihnen als Ventil.
Was für ein Chaos! Und nun? Wenn Sie Anzeichen wahrnehmen, merken, dass sich das Miteinander mit einem Kollegen oder Vorgesetzten negativ verändert, fragen Sie nach!
• Gehen Sie in das Zimmer Ihres Kollegen und fragen ihn, was der Grund ist, dass alles nur noch schriftlich geklärt wird.
• “Liebe Kollegin, wieso gehen wir nicht mehr gemeinsam in die Kantine? Ich vermisse unsere Mittagsgespräche.”
• “Herr Kollege, welche Laus ist Ihnen über die Leber gelaufen? Mein Eindruck ist, dass Sie wütend reagieren, wenn ich Ihnen Fragen stelle!”
So platt? Nein, Sie dürfen es auch ausformulieren, sich vorher Notizen machen, was auch immer Sie mögen. Aber platt ist nicht immer dumm. Und das ist es auf keinen Fall, wenn man sein Arbeitsfeld aufmerksam beobachtet und interessiert nachfragt, denn: sollte der Kollege oder die Kollegin nun doch ein Problem mit Ihnen haben, ist das Gespräch die perfekte Möglichkeit, es aus dem Weg zu räumen. Im besten Fall handelt es nicht nur um kleinere Missverständnisse.
Der “große” Konflikt wäre nur entstanden, hätten Sie nicht nachgefragt, die Sache schleifen lassen und gewartet, bis weitere Situationen das Fass zum Überlaufen bringen. Handeln Sie rechtzeitig, damit die Situation nicht eskaliert und schon können auch Sie sagen: “Konflikte sind normal.”
Und was bedeutet das genau? Im Sommer ist es heiß, im Winter kalt, im Herbst fällt das Laub, im Frühling erblüht die Natur, all das sind normale Vorgänge. Und Konflikte sind eben auch normal. Nur weil jedoch etwas “normal” ist, müssen wir es dennoch nicht gut finden. Was bringt also der Satz “Konflikte sind normal”? Nicht viel, zunächst. Obwohl man weiß, dass es im Winter kalt ist, jammert man dennoch über den Schnee, den Wagen, der nicht anspringt oder das Glatteis vor der Tür. Obwohl man weiß, dass Konflikte normal sind, will man sie dennoch nicht haben, weigert sich hinzusehen oder versucht, ihnen aus dem Weg zu gehen.
Nur: Egal wie sehr man jammert, den Winter beeindruckt dies nicht. Egal, welche Vermeidungstaktiken man an den Tag legt, der Konflikt bleibt. Akzeptieren, was nicht zu ändern ist: Man trifft Vorkehrungen, um den Winter halbwegs gut zu überstehen: Streusalz kaufen, einen besonders warmen Wintermantel, Kerzen, Tee und die Winterreifen nicht vergessen. Als Alternative bietet sich an: In wärme Länder umsiedeln oder drei Monate Urlaub in wärmeren Gefilden. Man trifft eben auch Vorkehrungen, um mit Konflikten besser umzugehen: Eigene Blockaden, Ängste und Glaubenssätze ansehen und verändern, sich externe Unterstützung suchen, sich beantworten, was man in Konfliktsituationen braucht, wie man erzogen wurde, was dies in der Gegenwart bedeutet, was man davon nicht mehr haben möchte, richtig streiten lernen. Als Alternative bietet sich eine einsame Insel an. Der nächste Winter kommt bestimmt, der nächste Konflikt sicher auch. Gut, dass man sich vorbereiten kann.